Der Außenbaukörper
Die Umfassungsmauern des spätgotischen Saalbaus sind von hohen dreibahnigen
Spitzbogenfenstern aus rotem Porphyr zwischen Strebepfeilern gegliedert. Den Westabschluss
des Kirchenschiffes bildet ein Mauergiebel mit reizvoller Blendarchitektur von rotem
Backstein. Die drei spitzbogigen Durchgangsöffnungen zum Schiff und der heute von innen
vermauerte Zugang zum östlichen Chorpolygon dienten zunächst als Wallfahrerportale. In den
Flächen des hohen Satteldachs waren ursprünglich insgesamt 15 Gauben angeordnet und dem
First ein etwa 14 m hoch ragender, spitzer Dachreiter aufgesetzt. Er fiel 1932 einem Sturm
zum Opfer, was zu Zerstörungen des Daches führte und die Kirche in der Folgezeit dem
Verfall preisgab. Erst nach 1950 wurde das Dach vollständig erneuert.
An den Chor war nach Norden ein Oratorium (Bethaus) angefügt, das äußerlich noch heute
durch einen Stufengiebel mit Blendarchitektur und zweibahnigen Vorhangbogenfenstern
hervorgehoben wird. Dort standen den Pilgern in seinen beiden Geschossen zwei separate
Kapellenräume zum Gebet zur Verfügung, die innerlich keine Verbindung hatten. Seit
nachreformatorischer Zeit wird die untere Kapelle als Sakristei genutzt, während die im
ersten Obergeschoss bis 1945 als herrschaftliche Betstube für den Kirchenpatron
eingerichtet war.
Das heutige Erscheinungsbild des gesamten Außenbaukörpers der Kirche ist vor allem das
Ergebnis der letzten Instandsetzung zwischen 1991-1997, die mit einer Rekonstruktion von
Putz und Farbigkeit nach spätgotischen Analogien verbunden war.
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Das Kircheninnere und seine Ausstattung
Auch das Innere der Kirche ist geprägt von den charakteristischen Bau- und Zierformen der
Erbauungszeit. Über einer Grundfläche von 24,80 x 12,50 m werden das Kirchenschiff und der
nach Osten in ganzer Breite anschließende Chor von einem bis zu 13 m hoch ansteigenden,
dreijochigen Netzrippengewölbe überspannt. Für die Ausmalung dieses Gewölbes dienten
Pflanzenmotive aus dem "hortus sanitatis" (Garten der Gesundheit), einem der ersten
gedruckten Kräuterbücher des Mittelalters, als Grundlage. Bei der Wiederherstellung der
Malerei zwischen 1950 bis 1957 wurden Originalflächen in die Gesamtrekonstruktion
eingebunden.
Der Heilsweg der Pilger führte ursprünglich durch das Mittelschiff wohl
vorbei an einer Anzahl von Gnadenbildern zur Verehrung Marias. Dazu wird die
Mondsichelmadonna gezählt, die heute vor der nördlichen Pfeilervorlage des Triumphbogens
aufgestellt ist. Sie ist dem sächsischen Bildhauer und Bildschnitzer Stephan Hermsdorf
zugewiesen und um 1520 datiert.
Das liturgische Zentrum des Heilwegs aber bildete der
geschnitzte Dreiflügelschrein. Seine Provenienz und die Datierung sind nicht belegt.
Infolge der stilistischen Merkmale wird die Entstehung nur wenige Jahre nach Vollendung
des Kirchen- gebäudes, etwa zwischen 1525-1530 angenommen. Zugeschrieben ist er einem
"Meister von Rötha", der vermutlich aus der bedeutenden Plastikerschule des
niederbayrischen Bildschnitzers Hans Leinberger aus Landshut stammte.
Die Entstehung von Kirche und Altar fallen in die Zeit der Reformation und damit an die
Schwelle zum Beginn der Neuzeit. Deshalb ist die Architekturgliederung des Schnitzwerks
bereits in schlichten
Renaissanceformen ausgeführt, gleichzeitig aber noch mit spätgotischer Ornamentik
vermischt. Die Oberflächen von Schrein, Figuren und Dekor blieben holzsichtig. Das
Bildprogramm wurde der Geschichte der heiligen Jungfrau Maria gewidmet. Im Mittelschrein
ist ihre Krönung durch Christus und Gottvater dargestellt. Die Seitenflügel sind besetzt
mit Halbfiguren, links Johannes der Täufer und Apostel Andreas, rechts die Nothelferinnen
Katharina und Barbara. Im Gesprenge sind die Ganzfiguren der Heiligen Mauritius, Georg und
Florian aufgestellt. Das Reliefbild im Rundbogenfeld über dem Mittelschrein schildert die
Begegnung von Joachim und Anna, dem Elternpaar Marias, vor der goldenen Pforte von
Jerusalem. Diese Darstellung wurde seit nachreformatorischer Zeit irrtümlich mit der
wundersamen Entstehungsgeschichte der Wallfahrt in Rötha in Verbindung gebracht. Das
Schnitzrelief in der Predella zeigt die Abendmahlsszene. Es wurde 1948 gestohlen und galt
seitdem als verschollen. Erst nach seiner unerwarteten Wiederentdeckung im Jahr 2012
konnte es an den alten Standort zurückgeführt werden.
Im Anschluss an den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) setzte unter dem Patronat der
Adelsfamilie von Friesen auf Rötha seit den 1687iger Jahren eine Erneuerung der
liturgischen Ausstattung ein. Der Altar blieb als wichtigstes Prinzipalstück gewahrt.
Neu hinzu kamen die hölzerne Taufe mit eingravierter Datierung von "1683" in der
messingnen Taufschale. Wenige Jahre später wurde die prächtige Kanzelanlage an der
südlichen Pfeilervorlage des Triumphbogens errichtet. Der zugehörige Schalldeckel gilt
seit 1964 als vermisst. Der vorhandene wurde deshalb 2012 in der nach historischen Fotos
belegten achtstrahligen Sternform und in seiner exakten Größe rekonstruiert.
Zu den ergänzten Prinzipalstücken zählt auch ein Beichtstuhl, der, wenn auch nicht mehr
vollständig, heute zu denen im evangelischen Kirchenraum selten gewordenen Zeugnissen für
die nachlutherische Frömmigkeitspraxis und Pflege der Privatbeichte gehört.
Unter dem Patronat von Christian August Freiherrn von Friesen auf Rötha (seit 1717-1737)
wurde die barocke Umgestaltung des Kircheninnenraums schließlich vollendet. So beauftragte
er 1721 den Orgelbaumeister Gottfried Silbermann mit dem Bau einer neuen Orgel. In diesem
Zusammenhang veranlasste er wohl auch den Einbau der Emporen und ließ dem wohlhabenden
Bürgerstand sowie den Familien der Geistlichen im Chor geschlossene Betstühle
bereitstellen. Der Herrschaftsstand im ersten Obergeschoss des Nordanbaus wurde zum
Chorraum durch ein herauskragendes, dekorativ gestaltetes Holzgehäuse geöffnet.
Abschließend erhielt die gesamte liturgische Ausstattung unter Einbeziehung der älteren
Teile einschließlich des spätgotischen Altarschreins eine dekorative Bemalung im
sogenannten Régence-Stil.
Die Ausführung geht vermutlich auf den königlich-polnischen und
kurfürstlich- sächsischen Hof- und Jagdmaler Johann Christian Buzäus (gest. 1735) zurück.
Bei der Restaurierung des Kircheninnenraums zwischen 2004 bis 2008 konnte der barocke
Charakter dieser Dekorationsmalerei auf der Ausstattung nahezu unverfälscht gewahrt
bleiben.
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